Die ganz besondere Scream Queen: Sarah Paulson spielt in „Hold Your Breath“ (2024)

Horror ist ihr Zuhause

Die ganz besondere Scream Queen: Sarah Paulson spielt in „Hold Your Breath“

Die ganz besondere Scream Queen: Sarah Paulson spielt in „Hold Your Breath“ (1)

Ein blauer Himmel ist trügerisch im Oklahoma der Dreißigerjahre: Margaret Bellum (Sarah Paulson) und ihr Töchterchen Olly (Alona Robbins) bekommen es mit einem Wesen zu tun, das in den Sandstürmen lebt, die die Prärie zur Wüste machen. Oder das auch nur Einbildung sein könnte. Szene aus dem Horrorfilm „Hold Your Breath“, der bei Disney+ streambar ist.

Quelle: Lewis Jacobs

Als die Prärie zu einer Welt aus Staub wird, beginnt sich der Verstand einer Mutter zu verrücken, bis sie nur noch schreit. „Hold Your Breath“ erinnert an ein finsteres, fast vergessenes Kapitel der amerikanischen Geschichte. Und Sarah Paulson glänzt wieder in einem Genre, das viele meiden: dem Horrorfilm.

Und dann schreit sie. Schreit. Schreit. Schreit. Denn der Verstand von Margaret Bellum ist nicht mehr fest, er beginnt, sich zu verrücken. Sie nimmt im Staub der Prärie Dinge wahr, die nicht sein können, hört Geräusche, sieht Personen, die nicht da sind. Sie ist die Mutter von noch zwei Töchtern, die dritte, Ada, ist vor fünf Jahren gestorben, und die Reaktionen von Rose (Amiah Miller), der Ältesten, aber auch von Gemeindemitgliedern auf ihr merkwürdiger werdendes Verhalten, lassen ahnen, dass Margaret damit zu tun hatte, dass sie schon damals einen sehr tiefen seelischen Abgrund hinabgestiegen ist.

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Dabei muss sie jetzt die Familie zusammenhalten, unbedingt, solange der Vater Henry (Bill Heck) weg ist, um irgendwo Arbeit zu finden und Geld zu verdienen. Was mit der Farm der Bellums im Oklahoma des Jahres 1933 nicht mehr möglich ist.

Denn die Great Plains wurden, ein fast vergessenes Kapitel amerikanischer Geschichte, in jener Zeit von endlosen Staubstürmen heimgesucht, von einer jahrelangen Dürre. „Dust bowl – Staubschüssel“ nannte man die betroffenen Teile Kanadas und der USA damals. Die Farmer hatten das Präriegras gerodet, das sonst jene gewaltige Bodenerosion verhindert hätte, die jetzt ganze Häuser zuwehte. So ist auch der Besitz der Bellums nur ein graues Farmgebäude und ein schwarzer Stall in einem braunen, niederschmetternden Nichts. Telegrafenmasten deuten eine Landstraße an, das Weizenfeld hat nur noch tote Halme. Das Setting hatte Sarah Paulson, die jene Margaret Bellum spielt, besonders fasziniert.

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Staub überall, dazu Gruselgeschichten – der Zuschauer hält die Luft an

Es ist eine Endzeitwelt, Scharlach und Lungenkrankheiten grassieren, die Menschen tragen Gasmasken, binden sich mit Schnüren an der Türklinke fest, um wieder zurückzufinden, wenn die schwarzbraunen Wolken heranbrausen. „Hold Your Breath“ heißt der Film von Karrie Crouse („Westworld“) und Will Joines, und ja, man hält als Zuschauer den Atem an, als könne man sonst den Staub, der im Haus der Bellums im Sonnenlicht funkelt, und sich überall niederschlägt, einatmen wie die bedauernswerten Menschen im Film.

Sarah Paulson ist superb als Margaret Bellum, die am Anfang des Films noch alles im Griff zu haben scheint. Sie betet zu einem Gott, dessen Güte sie zugleich anzweifelt, dass sich der Staub legt, sie sieht zu, dass Rose und die kleine taube Tochter Olly (Alona Jane Robbins) den Lebensmut nicht verlieren und schilt die Ältere, wenn sie der Jüngeren Gruselgeschichten wie die vom „Grauen Mann“ vorliest, der aus Asche besteht, durch die Ritzen des Hauses eindringen kann und den man dann einatmet.

Sarah Paulson ist eine der großen Scream Queens des Genres

Ein Landstreicher habe eine Familie umgebracht, raunen die Frauen der Stickgruppe im Dorf nahebei, aber Margaret Bellum hat für solche Geschichten nur Verachtung übrig. Bis sie in ihrer Scheune auf einen sehr merkwürdigen Hobo stößt. Ist er etwa der Graue Mann aus der Geschichte?

Paulson lässt ihre Figur minutiös aus der Vernunft rutschen, ihre Augen werden ängstlich, ihr Viertellächeln hat etwas Fadenscheiniges, lacht sie, macht das einem Angst. Dann schreit sie ihre Ohnmacht gegenüber dem heraufziehenden Wahnsinn in die Staubwüste. Sie schreit grandios, wie immer, seit sie in „American Horror Story: Asylum“ (2012) im Angesicht des Killers Bloody Face zu ihrem Schrei fand. Sie ist eine der großen Scream Queens.

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Sarah Paulson wagt es, die Leute zu spielen, die du zu hassen liebst.

Zu denen wird sie von vielen Film- und TV-Foren gerechnet. Scream Queens sind die Darstellerinnen in Horrorfilmen, die ihrem Entsetzen besonders ausdrucksstark Geltung verleihen können. Fay Wray war in „King Kong und die weiße Frau“ (1933) die erste von ihnen, die den Giga-Gorilla, dem sie geopfert werden sollte, wegzuschreien versuchte. Janet Leigh schrie in der Morddusche von Hitchcocks „Psycho“ (1960). Jamie Lee Curtis wurde eine der berühmtesten Fürstinnen des Schreis, als sie in John Carpenters „Halloween“ (1978) gegen den Serienmörder Michael Myers antrat.

Schon früh in ihrer Karriere berührte Paulson die Gattung Horror

30 Jahre ist Paulson, die 1974 in Tampa, Florida, geboren wurde und in New York aufwuchs. im Geschäft. Sie begann am Broadway, spielte in einer Folge von „Law & Order“ (1994) und berührte schon 1995 in der Serie „American Gothic“ in der Rolle eines sorgsamen Geists die Gattung Horror. Sie spielte in vielen Genres, aber es waren die „eerie“- und „creepy“-Rollen, die abscheuliche Frau des Plantagenbesitzers in „12 Years a Slave“ (2013), vor allem aber das Spuk-Panoptikum in Ryan Murphys Anthologieserie „American Horror Story“ (2011 bis 2021), die sie berühmt machten. Jede Staffel eine andere Rolle oder sogar mehrere, in fast allen spielte sie mit: ein Medium, eine Reporterin, die in eine Nervenheilanstalt gerät, eine Hexe, siamesische Zwillinge in einer Freak Show, ein Gespenst. Paulson spielte Figuren, die man nicht mit spitzen Fingern anfassen wollte, Rollen, die andere Darstellerinnen mieden, weil sie nicht mit negativen oder schrillen Charakteren verbunden werden wollten. Nicht mit Horror. „Sarah Paulson wagt es, die Leute zu spielen, die du zu hassen liebst“ schrieb die „New York Times“ im Mai.

Etwa in Ryan Murphys Serie „Ratched“ (2020) über die sadistische Krankenschwester aus Milos Formans „Einer flog über das Kuckucksnest“ (1975) in jüngeren Jahren. Da tanzte Paulson als Mildred Ratched durch ein düsteres Musical, durch eine „Mildred Horror Picture Show“, in der sich dann doch niemand traut, mit dem Singen anzufangen. Sie spielte in Susanne Biers Horrorfilm „Bird Box“ (2018), in M. Night Shyamalams Horror-Superheldenfilm-Hybrid „Glass“ (2019) und in Aneesh Shagantys Thriller „Run“ (2020), wo sie die Mutter einer gehandicapten Tochter ist, die ein furchtbares Geheimnis hat. Schrecken, der sich langsam entfaltet.

Ihre großen Preise bekam Paulson für Rollen über reale Schrecken

Ihren Emmy und ihren Golden Globe gewann sie freilich für eine „Heldinnenfigur“ – den Part der Staatsanwältin Marcia Clark in, wieder Ryan Murphys, mitreißender Gerichtsserie „American Crime Story: The People v. O. J. Simpson“ (2016). Eine Rolle, für die Paulson von den Reviews unisono gefeiert wurde und die sie schwer loslassen konnte. Sie schrie nicht, sie weinte, als die Kameras die letzte Szene im Kasten hatten. Und konnte kein Mitleid fühlen, als der vom Mordverdacht an seiner Frau 1995 Freigesprochene im April dieses Jahres starb. „Ich habe keine Träne vergossen“, sagte sie der „New York Times“.

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Im Juni dieses Jahres hat Paulson auch den ersten Tony gewonnen, den bedeutendsten amerikanischen Theaterpreis. In Branden Jacobs-Jenkins‘ Theaterstück „Appropriate“, der Geschichte einer familiären Selbstzerfleischung, für das sie im Vorjahr an den Broadway zurückkehrte, spielt sie Toni. Eine unbequeme, angriffslustige, älteste der Lafayette-Geschwister, die ins ländliche Arkansas zurückkehrt und sich gegen die Erkenntnis sträubt, dass der verstorbene Vater ein verabscheuungswürdiger Rassist war. Paulson sei der „Hauptgrund von vielen, dieses Stück zu sehen“, schrieb der „Guardian“. Sie sei „furios und furchterregend“, befand die Entertainment-Website „Vulture“.

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„Hold Your Breath“ ist Standardhorror - Paulson macht ein Erlebnis daraus

Furchterregend ist sie auch in „Hold Your Breath“, dabei aber weniger an eine aufgescheuchte Scream Queen erinnernd als an Deborah Kerr, die sich als Gouvernante Miss Giddens in Jack Claytons „Schloss des Schreckens“ (1961) zusammenriss, um zwei ihr anvertraute Kinder vor übernatürlichem Zugriff zu bewahren, und schließlich an ihrem Scheitern seelisch zerbrach. Paulsons Spiel beschreibt einen ähnlichen Weg von der Vernunft in die Zerrüttung. Ihr zuzusehen, wie sie sich gegen die zerstörerische Natur stemmt, die familiäre Krise managt, das Paranormale negiert, bis sich doch erste Risse im Verstand zeigen, ist ein Erlebnis, das man sich nicht entgehen lassen sollte.

Wiewohl der Film außer ihr und seinem extremen Setting kaum mehr als Gruselgeräusche, einen effektiven Score und eine Handvoll Gänsehautszenen bietet. Halt: Ebon Moss-Bachrach, Paulsons Co-Star aus der zweiten Staffel des Gastro-Dramas „The Bear – King of the Kitchen“ muss noch erwähnt werden. Er wirkt als unheimlicher Landstreicher Wallace Grady wie ein Wiedergänger von Robert Mitchum als nimmermüder Verfolger zweier Kinder in „Die Nacht des Jägers“ (1955).

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Paulson gehört zu der Klasse von Schauspielerinnen, die jeden Film besser machen. Sie ist auch bei jungem Publikum beliebt. Als eine „mother“ wird sie von der Generation Z, also den zwischen 1995 und 2010 Geborenen bezeichnet, ein Ausdruck der besonderen Bewunderung.

Ich würde das lieber machen als irgendetwas anderes.

Als Nächstes geht es dann womöglich schon wieder ins Übersinnliche. Erst in dieser Woche verkündete Paulson in „Good Morning America“, dass eine Rückkehr zu „American Horror Story“ für die 13. Staffel wahrscheinlich sei. Zu Ryan Murphy, den sie längst wie einen Bruder sieht, und er sie wie eine Schwester. „Ich habe den Traum, und dann weihe ich sie in den Traum ein, und dann lassen wir andere Leute in den Traum ein“, sagte der Serienmacher 2017 in einem gemeinsamen Interview mit dem Magazin „Elle“.

„Ich würde das lieber machen als irgendetwas anderes“, sagte Paulson jetzt in der Nachrichtenshow. „Es ist mein Zuhause. Es ist dort, wo ich angefangen habe.“

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„Hold Your Breath“, Film, 96 Minuten, Regie: Karrie Crouse, William Joines, mit Sarah Paulson, Amiah Miller, Alona Jane Robbins, Annaleigh Ashford, Ebon Moss-Bachrach, Arron Shiver, Frances Lee McCain (streambar bei Disney+)

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Author: Prof. An Powlowski

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